Weihnachten in Oyem

Weihnachten ohne Familie, Weihnachten ohne Kälte, Weihnachten ohne (echten und duftenden) Christbaum. Weihnachten zu feiern fern von daheim und dem bekannten Drumherum ist natürlich eine Herausforderung und für viele Freiwillige eine Zeit des Heimwehs. Und das ist natürlich erstmal vollkommen berechtigt: Auch mir haben die üblichen Rituale, Düfte und Lieder gefehlt. Und trotzdem: Weihnachten war für mich keine Zeit des Durchhaltens und Entbehrens und bei weitem nicht meine größte Herausforderung. Stattdesssen wurde ich sehr bereichert und bin dankbar dafür, dieses Fest mal auf so andere Weise zu erleben. Ein Weihnachten unter Schwestern, ein Weihnachten in bunten Farben, ein Weihnachten der Veränderung.

Weihnachten feiern unter Schwestern

Zunächst einmal war das Umfeld, in dem ich Weihnachten gefeiert habe, ein ganz anderes. An Weihnachten selbst mit den Schwestern und der Präaspirantin und davor auf den verschiedensten Weihnachtsfeiern mit allen Angestellten, Kindern und Jugendlichen, die mit den Schwestern verbunden sind. Die Feier im Internat haben die Mädchen mit traditionellen und modernen Tänzen gestaltet, den Saal feierlich dekoriert, einen Plastikchristbaum aufgestellt und bunt behängt, und natürlich viel gutes Essen vorbereitet. Mit den Mädchen zu feiern, die ich die letzten Monat kennengelernt, begleitet und mich zum Teil mit ihnen angefreundet habe, war für mich ein erstes Highlight.
Für die Feier mit den Animateuren, Lehrkräften und sonstigem Personal haben wir gewichtelt (das heißt hier „ami invisible“ – unsichtbarer Freund) und die Lehrerinnen haben den ganzen Nachmittag über das Essen vorbereitet, was dann auch dementsprechend lecker war.
Die bei weitem anstrengendste Feier war die Schulweihnachtsfeier. Zum einen wurde ich darum gebeten, auf der Geige etwas vorzuspielen. Das habe ich gern gemacht, war aber auch ziemlich aufgeregt, vor all den Kindern und ihren Eltern zu spielen. Letztendlich hat aber alles gut geklappt. Zum anderen war ich für das Krippenspiel verantwortlich und hab bis zur letzten Sekunde gezittert, ob der Engel Gabriel noch auftauchen würde (am Ende ist er dann gekommen). Nachdem die Kostüme vom letzten Jahr verschwunden waren, haben wir auch da noch auf den letzten Drücker improvisiert. Aber auch hier ist bis auf Kleinigkeiten alles gut gegangen.
Am Heilig Abend hab ich mit den Schwestern das Essen für den Abend vorbereitet: Ausstechplätzchen, Kroketten, gefüllte Teigtaschen und karamellisierte Kokos-Häufchen. Das Kochen war zwar anstrengend, hat aber zusammen viel Spaß gemacht. Richtig los ging die Feier mit der Christmette. Danach haben wir dann die ganzen Leckereien gegessen, Geschenke übergeben und getanzt. An Weihnachten selbst haben wir mittags beim Bischof gegessen und für den Abend verschiedene lustige Spiele vorbereitet (Wer bin ich, Pantomime, Becher-Turmbau-Wettbewerb). Zu den Weihnachtsferien gehörte auch ein Ausflug der Gemeinschaft. Den haben wir an eine Art Kapelle im Wald gemacht, die auf Stegen in einen Bach gebaut ist. Das war dann eine wilde Mischung aus Fotoshooting, Felsenklettern, Bachspringen, Rosenkranzbeten und Brotzeitmachen – und viel Lachen! Durch die viele Zeit zusammen ist die Gemeinschaft auch besser zusammen gewachsen (immerhin sind zwei Schwestern, die Präaspirantin und ich hier neu) und ich hab mich nie allein gefühlt.

Bunte Farben

Während Weihnachten daheim etwas sehr Besinnliches und Gemütliches hat, herrschte hier eher Partystimmung. (Das ist natürlich etwas verallgemeinert). Schon die Natur leuchtet viel bunter: Blauer Himmel, grüne Pflanzen, rote Erde und auch die Dekoration ist weniger „konventionell“. Die Christbäume imitieren auf vielfältige Weise Tannen, von Plastikbäumen über Thujen bis zu zusammengesteckten Bananenblättern, und sind auch viel bunter und lauter dekoriert in allen Farben, mit glitzernden Lamettagirlanden und blinkenden, sogar singenden (!) Lichterketten.
Die Weinachtslieder sind eine Mischung aus traditionellen, klassischen und modernen Liedern, wobei der Hit „les anges dans nos campagnes“ („Engel haben Himmelslieder“) war. Mit rhythmischem, tanzbarem Beat versteht sich. Schon während den Messen wurde viel mehr getanzt und gejubelt und auch bei den Schwestern haben wir an Sylvester eine Dance-Party veranstaltet. Diese ausgelassene Stimmung – gerade in der Kirche – hat mir sehr gut getan. Einfach seine Freude auszulassen, herauszujubeln, zu tanzen, zu singen, ohne sich Gedanken machen zu müssen, war eine sehr heilsame Erfahrung.

Veränderung

Schließlich habe ich die Weihnachtsferien auch dafür genutzt, zu reflektieren und mir darüber Gedanken zu machen, wie es nach dem Freiwilligendienst weitergehen soll. Dabei ist mir aber auch bewusst geworden, wie sehr die Zeit hier in Oyem mich jetzt schon geprägt und gereift hat. Natürlich werde ich wieder mit meiner Familie Weihnachten feiern und die üblichen Traditionen erleben. Aber einmal herausgelöst aus dem Gewohnten, wird es unmöglich sein, wieder zurückzukehren zu dem Davor. Das gilt für Weihnachten, wo mir in Zukunft das ausgelassene Feiern, Lachen und Tanzen fehlen wird. Wo ich vielleicht aber auch die Stille und Besinnlichkeit neu schätzen lerne. Aber auch generell habe ich nicht nur einen räumlichen, sondern auch inneren Abstand zu meinem Leben in Deutschland gewonnen und werde viel Selbstverständliches ganz neu wahrnehmen, wenn ich zurückkomme. Manches kritischer, reflektierter, und manches mit größerer Wertschätzung.
Was mich selbst betrifft, bin ich in vielen Dingen mutiger und klarer geworden, hab aber auch meine eigenen Grenzen und Fehler deutlich zu spüren bekommen. Für diese Mischung aus neu gewonnener Demut und Stärke bin ich sehr dankbar. Wenn ich auf die kommenden Monate blicke, dann weiß ich jetzt aus eigener Erfahrung, wie ich auch an den unangenehmsten Erfahrungen wachsen kann. Und ich weiß auch, dass meine Ängste, Schwächen und Wunden in Deutschland und in Gabun dieselben sind und bleiben werden. Die werden hier nicht kleiner, genauso wenig wie meine Frustration darüber. Was aber wächst, ist meine Bereitschaft, meine Fehlerhaftigkeit zuzugeben, weil ich weiß, dass ich trotzdem liebenswert bin. Und dass die Menschen hier und auch Gott mir das vermitteln, das ist ein unschätzbar wertvolles Weihnachtsgeschenk. Danke!

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