Wenn ich ehrlich bin, bin ich noch nicht so richtig in Weihnachtsstimmung. Es ist viel zu warm, viel zu sonnig und viel zu lange hell. Es fehlt der Geruch von Zimt, Tanne und Kinderpunsch. Dabei ist der Advent ja eigentlich eine Zeit, in der alles so sein muss wie immer: Dieselben Plätzchen, Feiern, Filme und Lieder, Besuche am Christkindlmarkt, Geschenkplanungen und Dekorieren. Da ich diesen Advent hier in Oyem und nicht daheim verbringe, ist natürlich einiges ganz anders, aber gerade dadurch hat sich mein Blick auf diese Zeit auch gewandelt.
1. Advent: Ein Urlaubstag
Am ersten Adventssonntag haben wir erstmal gefeiert. Die Kapelle der Schwestern und die Kathedrale sind in Violett dekoriert. Nach der Messe und dem Mittagessen sind wir zu einem Ausflug an einen Pool aufgebrochen. Wir, das sind Schwestern, die Präaspirantin, die Internatsmädchen und ich. Nach einer kurzen Autofahrt sind wir dann auch am (eigentlich privaten) Pool angekommen und haben nicht lange gewartet, bis wir alle im Wasser waren. Mit Schwimmunterricht, Ballspielen, Kekse Essen und Buchlesen hat sich der Tag wie ein Stück Urlaub angefühlt und ich bin nach einer anstrengenden Woche aufgetankt zurückgekehrt.
2. Advent: Mariä Empfängnis
Oft wurde ich gefragt, ob man denn hier auch Nikolaus feiert, und da muss ich sagen, leider nein – dafür ist ein anderes, bei uns eher vernachlässigtes Fest hier sehr wichtig: Mariä Empfängnis. Die Schwestern, die ja eine besondere Widmung an Maria leben, haben sich mit einer Novene (neuntägiges Gebet) auf das Fest vorbereitet und alles bunt mit Luftballons, Tüchern und Blumen dekoriert. Zusätzlich fand am Samstag noch das Oratoriumsfest statt mit verschiedenen Spielstationen und Erzählungen zum Oratorium, das am 8. Dezember seinen Geburtstag feiert.
3. Advent: Feiern
Heute, am dritten Adventssonntag, wurde in unserer Pfarrei mit dem Patron St. Charles Lwanga der Pfarrer und zwei Vikare eingesetzt, weshalb es eine sehr festliche, aber auch anstrengende 3,5-Stunden-Messe mit dem Bischof und danach noch ein gemeinsames Festessen gab. Zu diesen Einsetzungen habe ich die Schwestern auch schon in den umliegenden Pfarreien begleitet und hab mich daran gewöhnt, wie lange alles dauert, aber die Stimmung ist eine ganz besondere und die neuen Pfarrer werden mit viel Jubel willkommen geheißen. Damit ist der Tag dann zwar eher unproduktiv, aber mit viel Singen und Lachen zu Ende gebracht.
Adventsstimmung
Der Advent hier ist für mich eine Zeit, in der ich viele neue Bräuche kennenlernen, aber auch eigene einbringen darf. So hab ich für die Schwestern einen Adventskalender mit Bibelversen und Heiligenzitaten gemacht oder Vanillekipferl gebacken. Das Backen und Kochen ist für mich immer eine Herausforderung, vor allem der ungewohnte Gasherd/-ofen, aber an Zutaten gibt es von Backpulver bis Speisestärke fast alles, was man zum Backen braucht.
In der Schule machen wir wöchentlich Adventsaktionen zu verschiedenen Themen wie Hoffnung, Freude und Frieden und singen Lieder mit den Kindern. Eine solche Aktion war es zum Beispiel, einen Freudensbaum zu gestalten, wo jedes Kind auf ein Blatt eine fröhliche Erinnerung schreiben konnte.
…und Vorweihnachtsstress
Wie auch bei uns entsteht hier dennoch ein ziemlicher Stress vor Weihnachten. Feiern müssen organisiert werden, für Schulaktionen muss auch jemand die 180 Blätter ausschneiden und zusätzlich ist diese Woche eine Prüfungswoche in der Schule. Mit meinem Theaterwahlkurs hab ich ein Krippenspiel für das Schulweihnachtsfest vorbereitet und das proben wir gerade fleißig. Auch das Dekorieren steht langsam an und im Internat basteln die Mädchen dafür verschiedene bunte Girlanden.
Eine neue Perspektive
Natürlich fehlt mir gerade in dieser Zeit meine Familie und auch aus Glaubenssicht fühle ich mich nicht richtig bereit für Weihnachten. Dadurch merke ich aber auch, wie sehr Weihnachten für mich eine Frage von Stimmung und Ritualen geworden ist – oder es überhaupt schon immer war. Wo jedes Jahr eine perfekte Reproduktion eines vergangenen idealen Jahres sein muss, das es so wahrscheinlich nie gab. Und jetzt, wo vieles wegfällt oder anders ist, was bleibt dann übrig, wie wichtig ist der inhaltliche Kern von Weihnachten für mich?
Wenn es draußen dunkel und kalt ist, und wir auf Jesus als das Licht warten, dann ist das eine leichte Vorstellung. Und bei der bin ich oft stehengeblieben. Hier muss ich weiterschauen, in meine eigene Dunkelheit, in eine andere Art der Kälte in der Welt, und als Trost gibt es keinen gemütlichen Nachmittag auf der Couch mit Adventsliedern, die die düstere Atmosphäre kaschieren sollen. Da bleibt nur Jesus.
In diesem Sinne viele Adventsgrüße aus dem warmen Oyem und vielleicht auch ein kleiner Anstoß zum Nachdenken:)