Zeit zum Appell. Eine schrille Klingel ertönt. An die 200 Schüler der 1. bis 5. Klasse springen auf und laufen in die Mitte der Halle, wo sie sich in Reihen aufstellen, nach Klassen sortiert, Jungs und Mädchen getrennt. Eine Lehrerin geht nach vorne, hebt die Hand und die Kinder zählen im Chor nach unten. Bei Null ist Stille (größtenteils). Es folgt die Begrüßung, Lieder werden gesungen, eine Schwester gibt einen kurzen Impuls zum Thema des Monats (im Oktober ist es „solidarité“ – Solidarität), die Kinder beten gemeinsam und montags darf ein auserkorenes Kind die gabunische Flagge im Schulhof hissen, begleitet von der Nationalhymne. Gegenüber warten die kleineren Kinder auf Bänken, machen aber schon eifrig die Bewegungen zu Liedern und Mottos mit und breiten beim Vater unser die Hände aus.
Während die Schulkinder – wieder in Reihen geordnet – in ihre Klassenzimmer ziehen, mache ich mich auf den Weg zu den „Kindergartenkindern“, die mich meistens mit einer kollektiven Umarmung begrüßen, bis ich beinahe umfalle. Die Gruppe der 4-Jährigen wartet, bis die 5-Jährigen in ihr Klassenzimmer gezogen sind und macht sich dann – wie die Schulkinder aufgereiht – auf den Weg zur Toilette. Danach kann es losgehen. Nach einer Runde springen, tanzen und singen setzen sich die Kinder an ihre Gruppentische und es wird gelernt. Monate, Wochentage und Zahlen aufgesagt. Anhand von Bildern im „Schulbuch“ erarbeitet, dass das Geschäft auf dem Klo verrichtet wird und nicht in der Natur – Erziehung zum Umweltschutz steht dazu im Lehrplan. Vertikale, schräge und horizontale Striche werden auf kleinen Tafeln mit Kreide geübt, während ich in die Hefte die Hausaufgabe vorzeichne. Gespielt und gegessen wird draußen in der Pause, im Klassenzimmer wird (still) gearbeitet. Ziemlich ungewohnt für mich, denn in Gabun funktioniert Schule anders als bei uns. Hier ein kleiner Einblick.

Die Mariendarstellung an der Wand findet man hier überall und sie bezieht sich auf die Marienanrufung „Maria, Hilfe der Christen“. Da die umgangssprachlich „Don-Bosco-Schwestern“ genannten Schwestern eigentlich „Töchter Mariens, Hilfe der Christen“ (Filles Marie Auxiliatrice, FMA) heißen, wird Maria hier so verehrt.
Zunächst eine kurze Erklärung des Schulsystems. Was ich bisher „Kindergarten“ genannt habe, heißt hier école maternelle und ist – wie der französische Name sagt – bereits eine Art Schule. Kinder von zwei bis fünf Jahren können sie besuchen und werden dabei nach Alter in Gruppen geteilt, von denen jede ein bis zwei Lehrerinnen und ein Klassenzimmer hat. In die maternelle gehen die Kinder vor allem zum Lernen, nicht zum Spielen oder zur Betreuung. Als ich erklärt habe, dass das in Deutschland so ist, haben die Schwestern gelacht – die Eltern in Gabun haben da ganz andere Ansprüche. Gelernt werden Verhaltensregeln und Disziplin, der Umgang mit Stift/Kreide, erste Buchstaben, einfaches Rechnen, sprachlicher Ausdruck und Orientierung in Abfolgen wie Zahlen, Tage etc.
Mit sechs Jahren kommen die Kinder dann auf die Grundschule, die école primaire, die fünf Klassenstufen umfasst. Hier wurde ich bisher immer nach der Pause eingesetzt und hab in die 1. bis 3. Klasse Einblicke erhalten. Die Kinder haben Schreibschrift geübt, die verschiedenen accents (é, è oder ê?) der französischen Sprache unterschieden (was auch für mich herausfordernd war…) und Längenmaße umgewandelt, was neben der Uhr die Herausforderung in der 3. Klasse ist und auch mit Tabelle und in Partnerarbeit nicht immer gleich geklappt hat.
Nach der primaire folgen dann weitere sieben Jahre Schule, die ersten vier davon an einem lycée oder collège, die weiteren drei an einem lycée, an dem man dann mit dem literarischen, technischen oder naturwissenschaftlichen baccalauréat (Abitur) die Schule abschließt. Verwirrend ist hierbei, dass man ab dem lycée die Klassen andersherum zählt, man fängt also mit der sechsten Klasse an, kommt dann in die fünfte usw. und endet dann in der terminale, der „nullten“ Klasse. Bei den Schwestern hier gibt es zwar auch ein lycée, das ist aber äußerst dünn besucht und deswegen gibt es dort für mich bis jetzt auch nichts zu tun.
In Gabun gibt es öffentliche Schulen und Privatschulen, wobei die Schule der Schwestern eine Privatschule ist, das heißt, es wird Schulgeld verlangt. Allerdings sind auch die öffentlichen Schulen nicht ganz umsonst: Für Schuluniform und Bücher müssen die Eltern der Schüler in jedem Fall selbst aufkommen.
Hier eine Übersicht über das Schulgelände:
Ungewohnt ist für mich vor allem der Unterrichtsstil und der Umgang mit Leistung. Natürlich hat jede Lehrerin ihre individuelle Persönlichkeit und Art des Unterrichtens, deswegen verallgemeinere ich hier, was mir dabei auffällt. Bereits bei den 4-Jährigen wird korrigiert mit „acquis“, also die Aufgabe wurde bewältigt, und „EVA“, sie wurde nicht geschafft, selbst bei Ausmalbildern. Und auch ansonsten wird mit Lob eher sparsam umgegangen und der Umgangston ist strenger. Das bedeutet nicht, dass nicht auch mal gelacht wird, und gibt es ein Problem, hören die Lehrerinnen eigentlich immer geduldig zu und versuchen zu helfen. Eine große Rolle spielt das gemeinsame Antworten der Schüler, wenn eine Lehrerin etwas erklärt, oder das vervollständigen von immer wieder wiederholten Sätzen, z. B. „On se tait!“ – „Es wird geschwiegen!“ Auch die Regeln im Klassenzimmer werden von den 4-/5-Jährigen gemeinsam im Chor aufgesagt.
Jetzt habe ich natürlich viel aufgezählt, was mir an Unterschieden zur Schule in Deutschland bzw. Bayern gleich aufgefallen ist und worauf ich mich neu einlassen durfte. Dabei ist vieles auch sehr ähnlich: In den Pausen wird sich ausgetauscht, gegessen und gespielt, Kinder kippeln und ratschen gerne (vor allem wenn die Lehrerin kurz nicht da ist und nur die Volontärin „aufpasst“), um das „coole“ Spielzeug wird auch mal gestritten und die Stillarbeit wird schnell zur Partnerarbeit.
Bisher habe ich in der Schule vor allem die Rolle einer Beobachterin eingenommen, Abläufe gelernt und den Kindern beim Rechnen/Schreiben geholfen, vor allem denjenigen, die damit noch nicht so gut zurechtkommen und viel Ermutigung brauchen. Damit passt das Jahresmotto für mich ganz gut: Ich bin einfach da und begleite die Kinder durch den Schultag. Eigenen Unterricht gebe ich noch nicht und auch eigene Projekte warten noch, momentan bin ich noch in der Einfindungsphase, und Wahlkurse und Jugendzentrum starten erst nach und nach, da steht noch die Planung an. Dennoch macht mir die Arbeit in der Schule riesigen Spaß und ich konnte total viel lernen, sowohl von den Kindern als auch den Lehrerinnen und Schwestern!
Und damit viele Grüße aus Oyem!
Viel Spaß beim FSJ! Ich freue mich mehr über Gabun zu hören <3
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